Home

 

 

Seit Februar arbeite ich an meinem Roman kein Strindberg nie.

Ursprünglich als Notizen zu meinen ready mades und meiner Serie in Schwarzweiß gedacht,

hat sich das Ganze völlig verselbstständigt.

Hier ein Auszug aus den ersten Seiten.

 

 

                                                Bettina Brüggemann

 

 

                                    Kein Strindberg, nie

 

Strindberg hätte Apotheker sein können. So von seinem Wesen. Stattdessen bin ich es. Aber ich werde nicht so wie er!

Ich kann es verstehen, aber keine Chance.

            Auf meiner Liste

-         Patrone für Kopierer bestellen

-         Neue Gefahrstoffverordnung studieren

-         Abverkauf an Heel faxen

Natürlich alles wahnsinnig aufregend. Dazu noch eine neue Gesundheitsreform noch skurriler als die letzte. Da kann man schon ins Grübeln kommen. Das sind schon Momente mit einem gewissen Gefährdungspotential.Da muß man ganz klar etwas entgegensetzen.

Überlege mir, ob ich etwas pflanze oder Kunst mache. Entscheide mich für beides.

Prachtbohnen sollen ganz schön hoch klettern können. Die pflanz ich an den Birnbaum. Bohnen, die neben Birnen hängen. Bin berauscht von dem Bild.

 

 

Meine Galeristin hat heute mein Leben verändert. Nach ihrem Anruf habe ich sofort den Polen abbestellt. Hier wird nicht mehr entrümpelt, kein Sperrmüll mehr abgeholt. Das war ja mal wieder voll pietätslos gegenüber 100 Jahren Geschichte.

In jedem Gerümpelhaufen lauert die Kunst.

 

 

Meditier vor einem Nachttischchen.

Eindeutig ein ready made.

Titel: Denken ist keine Geisteskrankheit.

Völlig perfekt, so wie es ist. Schloß ausgerissen, zerkratzt, Glasscheibe mit Deckchen drunter, verstaubt. Vom bloßen Anschauen Volldepression.

Fühle wie das Nachttischlein eine Träne zerdrückt bei meinen  harten Worten. Armes Ding. Kann ja nichts dafür.

Stellt sich natürlich die Frage, ob man den Einfluß von Möbeln auf Familiendramen und Selbstmorde genug Raum geboten hat.

Denke an Strindbergs unglückliche Ehen. Vielleicht waren es ja nicht die falschen Frauen, sondern die falschen Möbel.

Bilder ändern natürlich alles. Dann sieht man die Möbel nicht mehr.

 

 

Plötzlich weiß ich. Die Bohne und die Birne, sie werden sich lieben. Man muß ihnen nur eine Plattform bieten. Diese Sentimentalität, das bin ich auch.

 

 

Räume heute in der Speisekammer den Mäusedreck weg, den ein große Hausmausfamilie dort hinterlassen hat.

Hausmaus, lateinisch, Mus musculae. Altweltmäuse. Kulturfolger. Vom Aussterben bedroht. Kein Wunder!

Singe laut Grönemeyer mit: „Liebe ist leicht, doch heimlich ist es einfach unerreicht, kein Feuer keine Kohle kann brennen so heiß.“

Weiß momentan nicht genau auf was sich das für mich bezieht. Für die Kunst gilt das natürlich immer.

Habe gerade einen Kaffeekannenwärmer gefunden. Er hatte sich ganz in der hintersten Ecke versteckt. Ha! Keine Angst! Ich werde dich nicht wegwerfen.

Ich halte ihn bedächtig in den Händen und betrachte ihn. Innen ist alles voller Brandspuren. Unglaublich, wie haben die das nur geschafft? Das wird man nicht sehen. Ich finde es gut, daß man das nicht sieht.

Ich suche weiter. Bloß keinen Millimeter wenden.

Finde noch einen alten Kochtopf. Ästhetisch im Nichts anzusetzen.

Ich werde ihn mit Kapseln füllen. Schwarze Kapseln, weiße Kapseln, graue Kapseln, Alle selbst gefüllt. Pillen Tabletten Zäpfchen, Spritzen als Würste. Und dann einen Kochlöffel rein.

Schreibe dazu: Bitte umrühren.

Das ist so sinnlos!

So etwas ist dann immer fast schon Poesie.

 

 

Denke mir folgendes. Es ist ja nicht klar, was richtiger ist, Pessimismus oder Optimismus. Strindberg würde natürlich sagen, Pessimismus ist vernünftiger. Aber es ist ja nicht mal klar, ob vernünftig sein vernünftig ist

 

 

Muß bei dem Ausspruch des Marquis de Posa, Sire, gebt Gedankenfreiheit, lachen. Mir würde es schon reichen, wenn man überhaupt denken würde.

 

 

 

 

Ein harmonischer Tag in der Apotheke. Hätte nie gedacht, daß sich Apotheker und Künstler miteinander verbinden ließen. Eher gehadert und gelitten wie ein Hund. Und jetzt ist alles so harmonisch!

Ich verkaufe eine Packung gegen Angst, Erregungszustände, Schlaflosigkeit, Depression, Trübsinn, dunkle Gedanken, eine nähe ich auf den Kaffeekannenwärmer. Ich bestelle jetzt auch noch eine Packung Viagra. Sozusagen noch einen Schuß Lebensfreude auf den Kannenwärmer. Aufwendiger schon das Aufnähen der silbernen Pailletten auf den Wärmer. Aber es soll ja auch ein bißchen edel aussehen…

Gerade ist der Deckel der Kaffeekanne kaputt gegangen. Ich klebe ihn. Man sieht fast nichts… Absolut perfekt.

„Wir schlagen wie wild mit den Flügeln, daß uns der Absturz verschont. Können ohne Halt nicht leben, sind Regeln gewohnt. können uns drehen, können uns winden, es herrscht das Chaos
und Ruhe gibt's nach dem Tod
Ruhe gibt's genug nach dem Tod.

 

 

 

Sonntag.

Stehe hier in meiner versifften Jugendstilküche und singe laut Grönemeyer. „ Es ist so gut ohne Dich.  Keiner, der seine Launen rücksichtlos auslebt. Der hofft, daß einem auch das Wasser zum Hals steht. Der einen für seine eigene Kälte schuldig spricht. Es geht so gut ohne dich. Es ist einfach herrlich ganz ohne dich.“

Werde immer euphorischer.

Male dabei Erbsen weiß an für meinen Erbsenhorizont.  Uralter Nachttopf. Altes Püppchen. Und schon wieder ist es Kunst. Wie konnte ich so etwas nur wegwerfen wollen?!  Alles Familienbesitz. Fühle eine völlig neue Rückgebundenheit. Plötzlich geht alles so leicht.

 

 

Immer nur Grönemeyer. Vielleicht sollte ich mal wieder Wagner hören?

 

 

Professionalität. Immer.  Ganz wichtig, sonst wird man nicht ernst genommen. Müßte so gesehen dringend meine Homepage überarbeiten, die ist nicht professionell. Immer und überall professionell. Aber, was bedeutet das überhaupt. Außer, daß alles gleich aussieht.

Üblicher Konflikt zwischen Verstand und Gefühl.

Das Gefühl siegt. Ich überarbeite gar nichts. Mach ich einfach nicht.

Vielleicht sollte ich meine Bewerbungen wieder mit der Hand schreiben.

Keinen Bock auf diesen Terror.

 

 

Jetzt müssen aber doch auch mal zwei Gemälde her. Meine Winterbilder. Schwarzweiß. Das Tor, das andere heißt zerschellt. Eine endlose Meeresfläche. Es ist stürmisch, es ist kalt. Darin eine zerschellte Meerjungfrau auf einem Stein, der dort nichts verloren hat. Hochromantik.

 

 

Wache mit folgenden Gedanken auf.

Besser melancholisch als pessimistisch, besser ernst als traurig

 

 

Ich sehe das folgendermaßen.  Wenn man die schöne Karte aus dem Tarot nimmt, das Rad des Schicksals, dann bedeutet das ja, daß alles , was oben ist irgendwannmal unten ist. Also, wenn wir jetzt bei den falschen Entscheidungen sind, kippen wir irgendwannmal zu den richtigen. Wenn wir uns in eine Phase exorbitant explodierende Riesenmenge an falschen Entscheidungen befinden, heißt das ja nur, daß wir uns geradewegs wieder auf die richtigen Entscheidungen zubewegen. Also definitiv ein Grund für Optimismus.

Man kann das auch sehr schön an einem Kuchendiagramm sehen.

Diesmal bin ich mit Strindberg einer Meinung, daß ein Verhältnis 1 zu 1 vielleicht  zu optimistisch ist. Er sagt natürlich, Nullkommanull richtige Entscheidungen. Aber ich weiß ja inzwischen wie er tickt.

Jedenfalls. Ganz egal wie klein das Küchenstück ist, es gibt in diesem Kuchen 

ein Stück mit richtigen Entscheidungen.

Im Hintergrund wieder Grönemeyer.

Ist schon okay. Es tut gleichmäßig weh. Und der Mensch heißt Mensch, weil er erinnert, weil er kämpft und weil er hofft und liebt, weil er mitfühlt und vergibt,

und weil er lacht, und weil er lebt. Du fehlst.“

 

 

 

Ist das noch ein ready made? Brauche diesmal handwerkliche Unterstützung.

Ich muß eine runde Platte aus einem der alten Bettteile sägen. In der Mitte wird unterteilt. Links heute. Rechts vorgestern.

Verliere mich in Wortkonstruktionen mit dem Wort geil.

Geiz ist geil.

Geiz ist geil geil.

Geiz ist geil geiz geil.

Geil nach Sex.

Geil nach Dummheit.

Geilspaß.

Geil nach Nichts.

Geil nicht.

Rechts kommen die ganzen Crucifixe hin, die ich gefunden habe.

Links ist alles geil.

Was war früher anders?

Größe?

 

---------------------------------------------------------------------------------------------------------

 

Wache wie elektrisiert auf.

Die Natur muß rein! Immer auch etwas Schönes.

Ein Pflänzchen, das  das Köpfchen hebt. Das rührt.

Dann aber auch gleich wieder die knallharte Gesellschaftskritik.

Ein Pflanztopf. Auf der einen Seite Schönblumen aus dem Hochglanzkatalog: zu grell zu bunt zu wenig Natur. Auf der anderen Seite Brennnesseln.

Dazwischen ein Plastikzaun auf Holz gemacht zum Stecken.

Titel: Hauptsache abgegrenzt.

Die Brennnessel. Inbegriff der deutschen Tugenden. Unbeugsam  genügsam fleißig.

Seit dem ich dich kenne verteidigst du deine Plätze hier in diesem Garten mit unbeirrbarer Beharrlichkeit. Gibst nicht nach. Liebst den Schatten.

Ich schenk sie dir jetzt. Wachs einfach.

Ganz alte Arzneipflanze. Zumindest das hätte ich anerkennen müssen!

Fühle, daß ich sie zu lieben beginne.

Strindberg gesteht mir, daß die Brennnessel seine Lieblingspflanze ist.

Mensch Strindberg, sage ich, Du bist doch im Grunde ein Romantiker.

Er weint.

Vielleicht ist er ja doch kein so übler Typ

 

---------------------------------------------------------

 

Arbeite jetzt mit Strindberg zusammen.

Ich schneide  rechteckige Stücke aus alten Tischdecken und Bettgarnituren. Er schreibt No way out drauf. Hat sofort verstanden, worum es ging. Malt das in Schwarz mit einem 1 A Künstlerpinsel mit formstabilen Spezialhaaren in Acryl. Sowas gab es zu seiner Zeit nicht.

Kleben das nachher auf eine antike Sauciere, legen den Saucenlöffel rein, darin der Rosenkranz meiner Großmutter.

Stellen das auf das alte Kochbuch und ein Buch über die Pflichten der Frau in der christlichen Ehe.

Wir nennen es: Keine gute Zeit für wissbegierige Frauen.

Strindberg haut sich in die Faust vor Vergnügen.

Dabei ist er voll sexistisch.

 

-----------------------------------------

 

War jetzt in meinem riesigen Garten. Bei meinem Nachbarn eine einzige Baustelle. Gehe an den gemeinsamen Zaun, um zu fragen.

Er sagt, er macht jetzt alles neu. Die Wege mit Waschbeton. Diesmal laß ich es einen Fachmann machen, fügt er hinzu. Die akkurate einstige Rasenfläche, abgetragen, nur noch Erde. Wird aber wieder mit Rasen bepflanzt. Er zeigt mit einer Geste auf alles, als ginge sein Grundstück bis zum Horizont. Darin aber auch ganz klar Verzweiflung. Er sagt, Hauptsache, alles ist gerade.

 

-----------

 

Bin völlig konsterniert.

Erzähle das sofort Strindberg.

Strindberg sagt, er wäre immer gegen das Gerade gewesen. Genauer, gegen das so tun, als wäre alles gerade, wo in Wirklichkeit alles ungerade ist. Er hätte mit seinen ungeraden Schriften, die er viel gerader fand, gegen das Gerade im Ungeraden angeschrieben.

Er müsse jetzt auch mal etwas zu meinen Bemerkungen über ihn, seine unglückliche Ehen, seine Frauen und seine Möbel sagen.

Er habe immer gesagt, das Schiefe könne letztlich trotzdem völlig gerade sein.

Alle Möbel mit schiefen Platten drauf. Die aber völlig gerade.

Er könne sich das auch gut bei meinem Büffet vorstellen. So was ähnliches habe  er auch gehabt.

Klar, sage ich, überall alles schief, damit alles unwichtige gleich runterfällt. Nur etwas definitiv gerade und da stehen dann die Weinflaschen drauf.

Könntest gleich damit anfangen, sage ich. Bist aber leider kein ausgebildeter Schreiner.

Sehe, wie unglaublich banal er meinen Kommentar findet.

Er redet nicht mehr mit mir.

Ich rede auch nicht mehr mit ihm.

Alles vorbei.

 

----------------------------------------------------------------------

 

Analysiere mit meiner Angestellten aus Kasachstan, warum es nicht möglich ist,

mit einem Workaholic auf längeres auszugehen und Spaß zu haben.

Stelle das grafisch dar.

Zeichne ein Knäuel, dann lauter gerade Linien. Das Knäuel ist sie. Nächstes Treffen, nächstes Knäuel, dann wieder viele gerade Linien, Kleines Knäuel, Telefonanruf. Gerade Linien. Letzes Knäuel, Abschiedsknäuel, dann endlich nur noch gerade Linien.

Sie sieht schon rein optisch, daß das nicht funktionieren kann.

Ist empört.

Malt das ganze Blatt mit geraden Linien voll und das nächste auch.

 

--------------------------------------------------------------------------------------

 

Versuche mit Strindberg zu reden.

Wir wollen doch im Grunde beide das Gleiche, sage ich.

Wir kämpfen doch beide mit dem Ungeraden gegen das Gerade, das nicht wirklich gerade ist.

Wollen doch vielleicht auch ein wenig durch das Ungerade das Ungerade im Geraden etwas gerader zu machen.

Oder einfach nur, daß man akzeptiert, daß nichts gerade ist.

Er greift wieder zum Pinsel und malt am No way out weiter.

Völlige Versöhnung.

Ganz ohne Worte.

Er ist völlig versunken.

Was für ein sensibles Profil er doch hat.

 

---------------------------------------------------------------------------------------------

 

Muß immer wieder über den Aufschrei meines Nachbarn nachdenken.

Hauptsache, alles ist gerade.

Überlege mir, was für ein ready made ich dazu machen könnte, aber mir fällt nichts ein. Gar nichts.

Wenn ich Architekturmodelle bauen könnte, vielleicht.

Gerades Haus. Gerader Weg. Gerader Stamm mit Kugel drauf.

Aber das hat ja überhaupt nichts mit Kunst zu tun.

Ich bin ja auch eher der barocke Typ.

Also jetzt nicht von der äußeren Erscheinung, im Grunde nicht mal von der inneren Einstellung. Eigentlich mag ich den Barock gar nicht.

Vielleicht bin ich ja auch einfach nur nicht abstrakt.

Wenn man mich vor die Entscheidung stellen würde, Schnörkel ja oder nein. Ganz klar ja.

Strindberg sitzt mir gegenüber an diesem riesigen Eßtisch, Kirschbaumfurnier, Biedermeier nachgebaut, hört meinen Selbstreflektionen zu und macht sich Notizen. Ab und zu steht er auf, macht eine Schranktüre auf oder eine Schublade und guckt rein, was drin ist. So ganz selbstverständlich.

Er hat sich in der Apotheke einen dunkelblauen Protzkugelschreiber von Nycomed ausgesucht. Ganz der große Dramatiker.

Ich nehme immer was grad rumliegt.

Schreibt jetzt mit diesem Kugelschreiber von Nycomed, dem Originalhersteller von Pantoprazol, auf einen Block des Generikaherstellers Hennig mit Werbung für Pantoprazol.

Ist das der berüchtigte Kreis, der sich immer wieder schließt?

Wegen des Blocks habe ich die Vertreterin von Hennig angerufen. Habe ihr gesagt, daß ich an einem Kunstprojekt arbeite und ihre Blocks wären ideal.

Da haben die mir sofort 100 Stück geschickt, aber es sind die Falschen.

Muß sie das nächste Mal darauf ansprechen.

Ich habe mir trotzdem einen Stapel mit nach oben genommen.

Strindberg hat sich auch einfach einen Stapel genommen.

Jetzt machen wir beide Notizen auf den gleichen Blocks. Nur der Kugelschreiber ist unterschiedlich.

Ich habe kein wirklich gutes Gefühl dabei.

 

-------------------------------------------------------------------------------------

 

Mir ist dann doch noch der Kragen geplatzt.

Habe Strindberg gesagt, was ich von seiner ganzen ich ich und dann wieder ich und nochmal ich und dann ich, dann lange nichts und dann wieder ich ich ich Einstellung halte.

Einfach die Blocks nehmen und überall reingucken. Einfach so.

Aber ich ich kann das natürlich. Weil die Welt mir ja alles schuldet.

Diese ganze egomanische egozentrische egoistische selbstverliebte nur ich bin wichtig Manie.

Nur mein Kram ist wichtig.

Nur meine Befindlichkeit ist wichtig.

Immer nur ich ich ich.

Dann natürlich immer nur die ganz große Kelle.

Immer nur das Riesengewissen, der ganz große Moralische in Kampf gegen alle Institutionen. Und selber im Behandeln anderer kein Deut anders sein.

Voll daneben!

Aber selbstverständlich macht man immer alles richtig. Ist wahrscheinlich genetisch. So ein Glück aber auch!

Bin wirklich außer mir.

Das einzige, was mich bei der ganzen Sache irritiert, ist, daß er die ganze Zeit mitschreibt wie ein Blöder.

 

-----------------------------------------------------------------------------------------

 

Heute kommt der Pole.

Wir bauen Rabatte im Garten.

Beginnen mit was nicht richtig rundem, geschnitten von was runderem.

Der Pole will rund weiterbauen, aber jetzt wollen wir Frauen was Rechteckiges. Das Rechteckige wollen wir aber nicht gerade.

Und die eine Ecke muß auch weg, weil zu männlich.

Dann geht es wieder rund weiter, dann wieder eckig oder eben nicht.

Alles wie es kommt.

Der Pole beginnt zu verstehen.

 

-------------------------------------------------------------------------------------

 

Schriftsteller sind immer auf Recherche.

Einmal nicht aufgepaßt und schon ist man literarisch verarbeitet.

 

----------------------------------------------------------------------------------------

 

Oben auf der zugegebenermaßen sehr schönen Tischdecke (Typ, 3000 Stunden nadeln bei schlechtem Licht) steht eine Jugendstilsuppenschüssel (Typ, auch Altes kann häßlich sein). Drinnen liegt das Inflationsgeld von damals.

Darin eine alte Suppenkelle. Klar, habe ja nichts anderes.

Die halbe momentane Staatsverschuldung steht da auf dem Tisch.

Strindberg schaut mich erwartungsvoll an.

Ich nenne das Ganze: Ist soviel Geld wirklich geil?

Er nickt.

Haben wir jetzt die Rollen getauscht?

 

___________________________________________________

 

In meinem Kopf völlige Unordnung.

Zuviel Notizen zuviel ready mades.

Verliere langsam die Orientierung.

Muß wieder malen

Einfach nur malen. Bilder. Wie früher.

 

----------------------------------------------------------------------------------

 

In meinem Atelier steht Strindberg.

Er hat mit sicherer Hand meine teuersten Pigmente zu Spachtelmasse angerührt.

Erstaunlich, daß er das kann.

Spachtelt seelenruhig auf der Leinwand weiter.

Gar nicht schlecht, was er da macht.

Seelenzustände 1 zu 1 übertragen. Meinen Respekt!

Sitzen später gemeinsam auf dem Sofa und klotzen sein Bild an.

 

-------------------------------------------------------------------------------

 

Vom Fenster ganz oben  sehen die Rabatte wie eine keltische Ausgrabungsstelle aus.

Bin begeistert.

 

---------------------------------------------------------------------------

Strindberg steht in meiner Küche und besprüht meine Setzlinge mit meiner Sprühflasche.

Ich sehe jetzt auch, daß er auch den dritten Setzkasten gefunden und ihn dazu gestellt hat, ohne zu fragen.

Bepflanzt hat er ihn offensichtlich auch. Keine Frage.

Finde ein leeres Tütchen mit Artischockensamen auf der Spüle.

Offensichtlich hat er also auch meine Gemüsesamensammlung gefunden und sich in aller Ruhe das ausgesucht und genommen, was ihm am besten gefällt, ohne zu fragen.

Habe das unbestimmte Gefühl, daß meine ich ich Orgie genau das Gegenteil bewirkt hat.

Das Strindberg jetzt nämlich weiß, wer er ist und wie er sein möchte.

Nämlich genau so wie ich ihn beschrieben habe.

 

------------------------------------------------------------------------------------

 

Schrecksekunde für Strindberg.

Ist ins Atelier gekommen und sieht, daß ich sein Bild übermalt habe.

Ja, sage ich, es gab einen übermalten de Kooning. Jetzt gibt es eben auch einen übermalten Strindberg. Und zwar von mir. Ohne zu fragen.

Völlig fertig der Typ.

Sowas habe ich noch nicht gesehen.

Sage ihm, daß ich sein Bild nur kopiert und die Kopie übermalt habe.

Das sieht er jetzt auch. Hat aber nicht die Kraft, sich vom Sofa zu erheben, auf dem er zusammengesackt ist.

Völlig durch den Wind!

 

----------------------------------------------------------------------------------------

 

Muß Strindberg nächstes Mal unbedingt zur Post mitnehmen.

Vielleicht heitert ihn das ein wenig auf.

Die neue Reklamelinie der Post schreibt nämlich alle -ig Endungen in "-ich" Endungen um.

"Spaßig" wird zu "Spaß- ich", "Mächtig" wird zu "mächt-ich" und "Goldig" zu "gold-ich", "erstrangig" zu erstrang-ich", "hochrangig" zu hochrang-ich", "großzügig zu großzüg-ich". 

So viele Ichs. Vielleicht lächelt er dann mal wieder.

Voll in der Krise seit der Sache mit dem Bild.

 

---------------------------------------------------------------------------

 

Habe jetzt Strindberg ganz offiziell  für heute Abend auf ein Glas Wein in meine Küche eingeladen. Ich muß was gegen diese Leidensmiene tun.

Wir sitzen am Küchentisch. Der ist noch original mit grünem Linoleum bezogen. Teile ausgerissen oder eingerissen. Und die Holzplatte darunter hat wohl auch schon Sprünge. Würde da nie eine Tischdecke darauf legen. So inspirierend!

Erzähle das Strindberg, aber er verzieht keine Miene.

Nippelt an seinem Glas wie ein Häufchen Elend.

Ich versuche ihn aufzubauen.

Sage, Strindberg, Du hast so viele Ichs und alle sind sie so toll! Du müßtest doch total glücklich sein!

Nichts.

Versuche ihn an die große Kelle zu erinnern und spiele ihm die pathetischsten Stellen von Wagner vor.

Höre auf bevor er mir den Tisch vollrotzt.

Greife zu cubanischer Musik. Lebensfreude pur.

Nichts.

Greife jetzt zu meiner letzten aber größten Waffe und spiele ihm Grönemeyer vor.

Bei „Deine Liebe klebt“ huscht ein Lächeln über sein Gesicht.

Mach mit „Bochum“ weiter. Ein Volltreffer!

Ich besprühe spontan seine Artischockensetzlinge.

Er besprüht meine Setzlinge. Besprühen dann auch mal alle zusammen.

Besprühen uns gegenseitig. Sprühen auch mal in die Luft. Einfach so.

Der Boden ist schon klitschnaß.

Singen dazu laut Grönemeyer:

Du bist keine Schönheit

vor Arbeit ganz grau

du liebst dich ohne Schminke
bist 'ne ehrliche Haut…

Du bist keine Weltstadt
auf deiner Königsallee
finden keine Modenschau'n statt
hier, wo das Herz noch zählt,
nicht das große Geld“

Ich kenn Bochum nicht. Er kennt Bochum auch nicht.

Aber wir wissen genau, worum es geht.

Drücke immer wieder die Wiederholungstaste.

Dann macht das Strindberg. Hat sofort verstanden, wie das geht. Ganz ohne zu fragen. Nicht umsonst einer der Großen seiner Zeit.

Was für ein Abend!

Ganz ganz große Klasse.

----------------------------------------------------------------------------

 

Haben heute zusammen im Atelier gemalt. Jeder für sich. Ab und zu mal rübergeguckt, was der andere macht. Gar nicht böse.

Ich habe ihm meine Farben überlassen. Ich male ja nur noch in Schwarzweiß.

Er spachtelt. Ich pinsle. Ganz harmonisch. Ganz ohne Neid.

 

---------------------------------------------------------------------

 Strindberg hat mir ein Gedicht geschenkt.

Danke überschwänglich.

Schau dann auf das Blatt.

Versteh kein Wort.

Ich kann kein Schwedisch.

 

--------------------------------------------------------------------------------------

 

Ich mache jetzt auch ein Gedicht.

Habe meine Einkaufsliste auf Spanisch übersetzt.

Das ganze optisch ein wenig aufgepeppt.

Gedankenstriche.

Dann auch Absätze machen und ein Wort ganz alleine stehen lassen.

Entscheide mich für Azucar. Mach zwei Ausrufezeichen dahinter.

Sieht so kriegerisch aus.

Laß dann noch einen Zweizeiler folgen.

Unberechenbar. Bestätigung oder doch eher Ernüchterung und resignatives Ende?

Schenk das Ganze Strindberg.

Das ist mir jetzt auch egal, ob er Spanisch kann.

Dann ist das eben die Poesie auch im Kleinen sehen.

Meine seltene aber begehrte Einkaufslistenlyrik.

 

--------------------------------------------------------------------------

 

Habe mir jetzt einen Platz ausgesucht, an dem mir Strindberg noch nicht über den Weg gelaufen ist.

Sitze in meiner riesigen Loggia und guck auf meinen riesigen Garten mit der keltischen Ausgrabungsstelle im Hintergrund.

Denke über große Gärten mit kleinen Früchten nach.

20 Meter Himbeeren, aber nur Minifrüchte und davon auch nicht viel.

Eine Goldparmäne. 25 Jahre alt, kniehoch, Früchte kirschgroß.

Der Golden Delicious, genauso alt, immerhin 2 Meter, Früchte klein.

Der Apfelbaum, der am größten ist, verzichtet gleich ganz aufs Früchte tragen.

Der Boskoop hat zwar große Früchte, fallen aber runter bevor sie groß sind.

Quitte mit kleinen Früchten.

Mirabelle mit kleinen Früchten.

Nußbäume drei. Früchte klein.

Komme ins Philosophieren.

Denke über meine 2:1 Theorie nach.

Die besagt, wenn man sich 3x mit einem Mann trifft, ersten 2 Male toll, drittes Mal Katastrophe.

Habe schon alles gemacht, um dem zu entgehen.

Abend bis in den Morgen verlängert. Morgen als 3tes Mal angesehen.

Gleich beendet, um wieder bei 1 zu sein.

Hat nichts genützt. Egal welche Tricks.

3tes Mal Katastrophe.

Wie ein Naturgesetz.

Irgendwannmal nach soviel Katastrophe natürlich nur noch Katastrophe.

Vielleicht noch mal aus Versehen ein netter Abend.

Wie es ja auch verirrte Blumen gibt. Die einsam und allein im Schnee blühen, als wäre es noch Sommer.

 

----------------------------------------------------------------------

 

Habe gerade auf den Stuhl neben mir geguckt. Und was guckt mich an?

Ein ready made.

Titel: Zuviel sitzen ist ungesund für den Stuhl.

 

-----------------------------------------------------------------------------

 

Vielleicht gibt es ja auch eine ganz einfache Erklärung für dieses 2 zu 1 Prinzip.

Ich meine, man muß sich wirklich mal klar machen, was für ein unglaublicher Zeitfresser dieses Verliebt sein ist.

Was könnte man in dieser Zeit nicht alles machen!

Die Bodenschätze der Arktis heben.

Brücken bauen Hochhäuser.

Alles wieder abreißen und neu bauen.

Konflikte lösen.

Gelöste Konflikte wieder in Konflikte umwandeln.

Große Politik, z.B. auch wahnsinnig viel Geld verdienen.

Teure Autos kaufen.

Und statt dessen?

Sehnsucht haben. Sich Worte, die der andere gesagt hat, wieder ins Gedächtnis holen. Gesten, wie er gelächelt hat. Stundenlanges vor sich hin träumen und dabei debil vor sich hin lächeln.

Vielleicht auch Verluste durch nicht mehr zugehört haben, weil mit den Gedanken ganz woanders.

Aber ist das produktiv?

Aber was hat Mann jetzt faktisch und sichtbar geleistet?

Wo die Welt verändert?

Klar, daß das einen Mann irritiert, daß er de facto gar nichts leistet.

So wird natürlich alles klar und logisch.

Dann doch lieber große Artikel schreiben oder z.B. Gesetze verabschieden.

Das eigentliche Problem.

Wir Frauen sind einfach zu zeitaufwendig.

1 Stunde verliebt sein, reden, küssen, dann ab in die Kiste und danach sofort schlafen, um fit zu sein für den 400 Stunden Job. Oder sofort aufspringen mit 3 handies telefonieren, zum Wagen rennen, zu Terminen fahren, Besprechungen, wichtige Entscheidungen treffen, e-mails beantworten, alle wichtig, Golf Tennis.

Höre ein Geräusch.

Hinter mir steht Strindberg.

Er hat offensichtlich die ganze Zeit mitgelesen.

Sagt, er hätte sich gerne Notizen zu meinen Notizen gemacht, hätte aber befürchtet ,  daß das Geräusch meinen Schreibfluß unterbrochen hätte.

Fragt mich jetzt, ob er kurz mal meine Notizen haben könnte für seine Notizen.

Ich stehe wortlos auf und laß ihn stehen.

 

--------------------------------------------------------------------

 

Habe mich jetzt in der Apotheke eingeschlossen. Sitze ganz allein in meinem Büro. Hier bin ich jetzt ganz ungestört.

Denn es kommt gleich ein ganz wichtiges Thema.

Vielleicht das wichtigste überhaupt.

Die Beziehung zwischen Kunst und Liebe.

....

 

Home